Friedrich II. König von Preußen

Fortsetzung in Heft 11/2001

Der andere Friedrich

Nach dem Tode Friedrichs II.

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Neuer Glogauer Anzeiger, Nummer 10, Oktober 2001
und Nummer 11, November 2001

300 Jahre Preußen und Glogau
Einsichten eines Gemeinen

„Zack-zack und steh’n!“ „Hinlegen - auf marschmarsch!“ „Jawoll Herr Unteroffizier!“ Preußens Glanz und Gloria. In den Hirnströmen eines Gemeinen Soldaten, der die Bitternis und das Zittern auf dem groben Schotter eines Kasernenhofes erleiden mußte, der das Robben im erdigen Staub der geliebten schlesischen Heimat erlernte, entstehen zunächst einmal diese Bilder, wenn es um Preußen geht.
Zuweilen klingt auch noch das Stakkato sich überschlagender Kommandostimmen der Ausbilder im Ohr und man sieht in ihre vor Eifer verzerrten Gesichter.

Korrekte Exerzier-
kommandos, die erst in der Monotonie endloser Wiederholungen zu kräftezehrender Schikane wurden. Auch individuelle Steigerungen, je nach Temperament und Einfallsreichtum des Kommandoträgers, waren ein sehr beliebtes Mittel preußischen Drills. Die Variationen solcher, von preußischer Härte gezeichneter Rückbesinnung sind zahlreich.
Waren sie auch lehrreich? - Nun, sie wurden wenig später, sozusagen im Anschluß an diese Exerzierplatzübungen zur Überlebenshilfe und das ist ja immerhin etwas.

Ableitungen aus solchen Erfahrungen, die man beiläufig Lebenserfahrungen nennt, haben jedoch, was ich hier soeben respektlos als preußisch abhakte, durchaus tugendhafte Werte. Von besonderer Bedeutung sind dabei: Disziplin und Ordnung, Achtung, Ausdauer und nicht zuletzt Rücksicht als Übungsziel hervorzuheben. Kaum zu übersehen, dass diese, das menschliche Zusammenleben freundlicher gestaltenden Eigenschaften nicht überdauert haben.
Ein Fingerschnippen, ein „Hoppla was soll das?“ wären die mildeste Reaktion solchen Ansinnens. Unbestreitbar hat der glorifizierte, preußische-goldbetresste Pomp mit all seinen theatralischen Begleiterscheinungen auch eine begeisterungsfähige Ausstrahlung. Wer kann sich dem Reiz solch militärischer Glorie schon entziehen? Er ist geeignet zu überdecken und eine gewisse Akzeptanz auszulösen.

Als Glogauer, der den preußischen Drill als Gemeiner erlebt hat, kann ich bezeugen, dass es in meiner Stadt mindestens 4 Kasernenhöfe und einige weite Exerzierfluren gab, auf denen es preußisch zuging. 4 Regimenter in 3 Waffengattungen sortiert, lagen im Glogauer Geviert, diesseits und jenseits der Oder. Die feldgrauen Bewohner aller Chargen ließen sich an ihren Schulterklappen und -stücken und den farbigen Litzen unterscheiden. Das konnten wir schon als Kinder.
Geographisch war die kasernierte Unterbringung der Glogauer Soldaten so arrangiert, dass sie die Stadt aus den 4 Himmelsrichtungen zu überwachen imstande waren. Glogau konnte also - preußisch gesehen - gar nicht untergehen. Es scheiterte später nur daran, dass Befehle allzu preußisch korrekt und mit blindem Gehorsam ausgeführt wurden.

Der Ursprung der soldatischen Existenz lag in der von Friedrich I. dem Soldatenkönig durchgeführten Idee, ein stehendes Herr zu schaffen. Hier lag also die früheste Beziehung Glogaus zum Preußentum, deren feste Bindung sich allerdings erst später realisierte. Sämtliche Historiker und Geschichtsschreiber der Welt mögen mir bitte verzeihen, dass ich die preußisch geprägten Verbindungen der Oderstadt auf diesen Nenner reduziere. Die Geschichte Preußens hat weit vor der Berührung mit Glogau dramatische Kapitel geschrieben. Wenn aber landauf landab über die 300-jährige Geschichte Preußens geschrieben und gefeiert wird, dann sollte Glogau nicht unerwähnt bleiben, hat es doch mehr als einen Fußballverein gleichen Namens zu bieten.

Friedrich II. König von Preußen

Das Preußentum in Glogau manifestiert sich am augenfälligsten in der Figur Friedrich II. Der „Alte Fritz“, wie er genannt wurde, hat im Glogauer Stadtbild und darüber hinaus seine Spuren hinterlassen, wie kein Zweiter. Der wohl schönste und größte Platz der Stadt trug seinen Namen und am nördlichsten Teil dieser vielgestalteten Anlage, blickte er, in Bronze gegossen vom ehernen Sockel in das Halbrund vor dem Goldfischteich. Im südlichen Teil der Anlage, dem Platz Am Kriegerdenkmal stand eine beachtliche Siegessäule.

Wie stark der allgegenwärtige preußische Hintergrund in Glogau wirkte, zeigt sich daran, dass 24 Straßen ihren Namen aus dem Beziehungsgeflecht direkt oder indirekt dem Preußenstaat verdanken. Persönlichkeiten des Adels, der Kriegsmacht, sogar Kriegsschauplätze finden sich darunter. Stellvertretend stehen dafür: Die Wilhelm-, Preußische-, oder Leopoldstraße. Die Potsdam-, Friedrich-, Neue- u. Alte Wallstraße, die Sedanstraße usw.

Die erste Berührung Glogaus mit der preußischen Kriegsmacht fand am 9. März 1741 statt. Auf Drängen von Friedrich II., ließ Prinz Leopold von Dessau die seit langem belagerte Festung Glogau stürmen, in der sich die Österreicher verschanzt hatten. „Etwa 6600 Mann Infanterie und 2 Schwadronen Reiter wurden zu dem Unternehmen verwendet“, so heißt es in der offiziellen Disposition des Prinzen über die Erstürmung. Es gab, wie konnte es auch anders sein, Tote und Verwundete auf beiden Seiten. Auf Seiten der Besatzer waren die Verluste höher, als um 1 Uhr morgens die Stadt in den Händen der Preußen lag. Zum ersten preußischen Gouverneur der Festung Glogau, wurde am 21. März der Generalleutnant Christoph Wilhelm von Kalckstein, Friedrichs Lehrer ernannt. Überall wo preußische Truppen standen, feierte man die Eroberung Glogaus.

(Fortsetzung in Heft 11/2001)

Der König weilte zu diesem Zeitpunkt noch in Breslau, wo er am 7. Nov. 1741 die Huldigung der niederschlesischen Stände entgegennahm. Vier Tage später zog er zum ersten Mal in Glogau ein. Der gesamte Magistrat und die Bürger der Stadt jubelten den neuen Herren untertänigst zu. Der Zug Friedrichs wurde von den Ältesten der Stadt, den Geschworenen und Schöffen feierlich eingeholt und in die Stadt geleitet, während er vom Ratsturm her mit feierlicher Musik begrüßt wurde. Im Schloss nahm er Quartier und fand gefallen an der Oderstadt. Er war erfüllt und voller Genugtuung über die glänzende Waffentat des Erbprinzen. Seine überströmende Bewunderung gipfelte in den Worten: „Prinz Leopold hat wohl alle schönste Aktion gethan die in diesem Seculo geschehen ist.“

Im 2. Schlesischen und im Siebenjährigen Krieg blieb Glogau von den unmittelbaren Kriegsereignissen verschont. Dennoch nahm die Stadt durch Einquartierungen, die Aufnahme von Verwundeten und Kranken, sowie die Errichtung von Versorgungsanlagen, Schaden in der Entwicklung. Zudem wurden die Befestigungen weiter ausgebaut, die das Bild der Stadt noch bis zum Ende des 19. Jahrhunderts prägten. Die preußische Regierung ließ umgehend die Stromregulierung der Oder in Angriff nehmen, weil man erkannt hatte, dass der Schiffsverkehr für den Handel der Region von weitreichender Bedeutung ist. In diesem Zusammenhang befahl Friedrich II. auch eine bauliche Verbesserung der Dombrücke und der Häuser. Die Verwaltung, bis hin zum Bürgermeister, unterzog er einer strengen Kontrolle und wo nötig Umbesetzung. Eine königliche Verfügung aus dem Jahre 1742 lautet: „Es muß hinführo auf die proprete in der Stadt mehr gesehen, die Straß und Gassen reinlich gehalten und solche Veranstaltung gemacht werden, damit alle unsauberkeit und gestank, so zu einer Infection gelegenheit geben kann, abgeschafft wird.“

Denkmal für das Infanterieregiment 47 am Flemmingteich

Der andere Friedrich

Seine Kindheitsidylle währte nur so lange, als die Erziehung in den Händen seiner Mutter, der Königin Sophie Dorothea und seiner, von ihm innig geliebten französischen Gouvernante, einer Hugenottin, lag. Sobald als möglich ersetzte der Vater Friedrich Wilhelm I. das „Weiberregiment“ durch Offiziere, weil er die musischen Neigungen seines Sohnes für überflüssig, gar schädlich hielt. Er befiehlt, „ihm die wahre Liebe des Soldatenstandes einzuprägen.“ Auch müsse er die „Rechenkunst und Ökonomie . . . aus dem Fundamente lernen.“ Der König fühlte sich als patriarchalischer Herrscher „von Gottes Gnaden“, seiner Preußen. 27 Jahre regierte er und entwickelte sich auch seiner Familie gegenüber zu einem Tyrann. Besonders dann, wenn der König von Gichtschmerzen geplagt wurde, war er von unerträglichem Benehmen. Seinen Sohn und dessen Bruder überhäufte er dann mit üblen Schmähungen. Als Sechzehnjähriger wurde Friedrich vom Vater, öffentlich, vor Offizieren und Lakaien abgekanzelt, weil er Schulden gemacht hatte, um Bücher und Noten anzuschaffen. Seine Verzweiflung über die ständigen Drangsale enden schließlich in der Ausweglosigkeit, nachdem ihn der Vater in einem Wutanfall mit dem Leben bedrohte.

Friedrich plant die Flucht, die dann anlässlich einer Reise zu befreundeten Fürstenhöfen, im Sommer 1730 vollzogen werden sollte. In seine Pläne waren seine besten Freunde, Leutnant v. Katte und Keith eingeweiht. Weil nur unzulänglich vorbereitet, wurde der Fluchtversuch entdeckt und es kam zu folgenschweren Reaktionen seines königlichen Vaters. Er sah es nicht als Streit zwischen ihm und seinem Sohn, sondern wertete es als militärische Desertation. Die Kriegsgerichtliche Beurteilung endete mit dem Spruch der Festungshaft in Küstrin. Für Leutnant von Katte, der ebenfalls zu lebenslanger Festungshaft verurteilt wurde, verschärfte der König das Urteil zum Todesspruch. Strafverschärfend für seinen Sohn Friedrich ordnete er an, der Exekution seines Freundes persönlich beizuwohnen. Die selbstgefällige Kaltherzigkeit des Soldatenkönigs übertrifft in dieser Handlung selbst die strengsten preußischen Maßstäbe. Nicht genug der Entwürdigung, ordnet der König im Febr. 1732 die Vermählung seines Sohnes Friedrich mit der ältesten Prinzessin von Bevern an: „Die Prinzessin Elisabeth Christine ist nicht hässlich, auch nicht schön. Sie ist ein gottesfürchtiger Mensch. . .“. Das Schloss Rheinsberg, nur wenige Kilometer von Ruppin, Friedrichs derzeitiger Garnison gelegen, ließ er nun zu seinem Domizil ausbauen. Er lebte dort mit seinen engsten Freunden und Beratern, ganz seinen musischen Begabungen hingegeben. Seine Frau und ihren Hofstaat ließ er teilhaben an Bällen und lustbaren Veranstaltungen.

Am 31. Mai 1740 starb der Soldatenkönig im Alter von nur 51 Jahren. Ungeachtet seiner Strenge und monarchischer Willkür musste man zugeben, dass Preußen in den Jahren seines Potentats an politischem und wirtschaftlichem Ansehen gewonnen hatte. Der 28-jährige Thronerbe wurde daher mit großen Erwartungen in seiner Nachfolge bestätigt. Zugleich vollzog sich ein Wandel in den Ansichten und Vorlieben des neuen Monarchen, über den besonders seine Rheinsberger Freunde bestürzt waren. Von seiner Familie trennte er sich fortan auch räumlich. Er duldete nicht, dass seine Ehefrau mit ihm in den Schlössern Charlottenburg und Potsdam residierte. Vielmehr gab er sich ganz seinen Pflichten als preußischer König hin und versagte sich jeglichen weiblichen Umgang. Friedrich II. schaffte zwar des Vaters teuerstes Spielzeug, die „Langen Kerls“ ab. Vermehrte aber die Macht des Staates zugleich um 10.000 Mann.

Nach dem Tode Friedrichs II.

Am 17. August 1786 starb Friedrich II. im Alter von 74 Jahren und für Glogau begann eine neue Epoche in seiner Geschichte. Sie war geprägt von den napoleonischen Kriegen und der Besetzung durch die Franzosen, die erst am 10. April 1814 beendet werden konnte. Die Bürger der Stadt haben in dieser Zeit schwere Drangsalierungen durch die Besatzung erleiden müssen.

Nach dem Abzug der Franzosen nahm Glogau eine kontinuierliche Aufwärtsentwicklung, die zwar immer wieder durch Ereignisse im politischen oder wirtschaftlichen Bereich gestört wurde, jedoch nicht mehr zum Stillstand kam. Auch leidvolle Zeiten blieben der Stadt nicht erspart, ausgelöst durch Epidemien, Cholera und Schwarze Pocken forderten unter den Bewohnern in den Jahren 1849 und 1871 über 800 Todesopfer.

Pio.-Ers.-Btl. 213 in Glogau auf der Kupferschmiedstr. Richtung Markt, Herbst 1944 - Foto Kendler

Im 20. Jahrhundert begann die Auflassung der Glogauer Festungsanlagen. Damit war der Auftakt für eine Erweiterung der Stadt gegeben, der einen weiteren wirtschaftlichen Aufschwung brachte. Ganze Stadtviertel entstanden im Osten mit Zweck- und Wohnbauten jenseits des Breslauer Tores. Der Kaiser-Wilhelmplatz mit dem monumentalen Reiterstandbild des Kaisers bildete den Mittelpunkt einer gepflegten gärtnerisch aufwendigen Anlage. Vier große Denkmalsbauten waren den in Glogau stationierten Waffengattungen und ihren Ruhmestaten gewidmet: dem Pi.Btl. 18, A.R. 41, I.R. 47 und dem Infantrie-Regiment 58. Im Westen der Stadt öffnete sich am Preußischen Tor der Festungsgürtel und entlang der Hohenzollernstraße, bis hinaus in die Rüstervorstadt, entstanden moderne Wohnbauten und Plätze. Nicht zuletzt gab es einen Fußball- und Turnverein, den „Sport-Club Preußen e.V. 1911“, der aus Treue zu den preußischen Traditionen der Stadt seinen Namen erhielt. Noch heute bestehen viele Verbindungen, insbesondere unter den Fußballfans im ehemals schwarz/weiß des Preußentrikots und den Damen der erfolgreichen Handballriege. Im Hotel „Hindenburg“ - wie hätte es auch anders heißen können - dem Vereinslokal des Preußenclubs glänzten einst die Pokale und Plaketten der Siege. Der Preußenplatz, die Spielstätte des Vereins lag zunächst an der - welch ein Zufall - Viktoriastraße und später am Schützenhaus.

Etwa 30 Jahre sollten in dem neuen Jahrhundert vergehen, bis sich ein Regime der Stadt bemächtigte, das sich, analog seiner Großmachtpläne, das Dritte Reich nannte. Noch einmal lebte das glorifizierte, preußisch verbrämte Tschingdarassabum in den so geliebten Mauern auf, bis es am eigenen Echo und im Staub der Granaten erstickte. Die Menschen , die es überlebten, wurden mit preußischer Gründlichkeit aus ihrer Stadt getrieben - pardon, ausgesiedelt. -Preußen gibt es eben überall.

Hans J. Gatzka

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Die in der Titelzeichnung verwendeten fotografischen Elemente sind dem Buch „Glogau im Wandel der Zeiten“ entnommen. Im Oval ein Ausschnitt des Gemäldes von Richard Knötel, welches sich im Weißen Saal des Glogauer Rathauses befand. Es zeigt die Waffenniederlegung der französischen Besatzung und Übergabe der Festung Glogau an die Preußen. Es war Richard Knötels letztes Gemälde.

Links:
Die evangelische Garnisonskirche 1789/90 auf Initiative von Friedrich II, König von Preußen, erbaut. Das klassizistische Bauwerk stand in der Jesuitenstraße.

Rechts o.:
Das Glogauer Schloss. Erbaut im 17. Jahrh. Ab 1742 Sitz der preußischen Oberamtsregierung. Später Wohnsitz des Festungskommandanten und Sitz des Landgerichts.

Rechts u.:
Die Friedenskirche Schifflein Christi. Sie wurde unter Friedrich II. 1773 nach Plänen von Carl Gotthard Langhans erbaut. Friedrich II. förderte den Bau des evgl. Gotteshauses mit 6.275 Talern.

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Quellen:

• Glogau im Wandel der Zeiten, Bergstadt Verlag
• Georg Holmsten, Friedrich II., Rowohlt Verlag
• Franz Kugler, Geschichte Friedrichs d. Großen, E.A. Seemann Verlag Leipzig
• Heinz Wittig, Die heimatlichen Straßen Glogaus 1943, GHB 1999.