Neuer Glogauer Anzeiger, Nummer 6, Juni 2003

Ein Schlesisches Kunstdenkmal
am Glogauer Stadttheater

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Die wechselvolle Baugeschichte des Glogauer Stadttheaters beginnt eigentlich mit der Errichtung eines Massivgebäudes für die Glogauer Fleischer, den sogenannten Fleischbänken. So geschehen im Jahre 1774.

In einer, über den Fleischbänken gelegenen Etage, wurde zugleich ein Redoutensaal geschaffen. Eine Einrichtung die dem Lustgeschehen der Stadtbewohner diente. Hochzeiten, Tanzfeste und Bälle wurden darin gefeiert.

Erst im Jahre 1799 wurde über der Redoute ein Theatersaal errichtet. Dort oben begann also die Glogauer Theaterzeit am damaligen Paradeplatz.

Mit der Erweiterung des Gebäudes ging jedoch eine Beeinträchtigung der Statik einher, die eine Stabilisierung erforderlich machte.

Der Mittelbau (Portikus) mit dem markanten Säulenbild und der Gryphiusbüste in der offenen Halbkugel war die Lösung an der Marktseite. Die verdeckte Längsfassade zur Baudenstraße erhielt stützende Strebepfeiler. Mit diesen Baumaßnahmen entstand unser Theaterbau in der uns bekannten, neoklassizistischen Architektur - bis auf die zweiseitige Freitreppe, die dem Bauwerk vorgelagert wurde. Nur über diese ungeliebte Freitreppe konnte der Theatersaal betreten werden.

Schon oft wurde im NGA über die Entwicklung des Gebäudes berichtet. Ganz selten jedoch kam eine kunstgeschichtliche Besonderheit in das Bild des Betrachters. Sie blieb unbeachtet.

Hoch oben, neben und hinter den Säulen umlaufend, befand sich nämlich ein Relief-Fries, der als schlesisches Kunstdenkmal hervorgehoben wird.

Im Textband "Schlesiens Kunstdenkmäler" von Hans Lutsch, wird der besagte Fries als schlesisches Kunstdenkmal genannt und bildlich dargestellt. Bedauerlich, dass diese bemerkenswerte Steinmetzarbeit zu unserer Zeit kaum wahrgenommen wurde.

Der Grund für diese Nichtbeachtung war eine Folge der nunmehr letzten Fassadengliederung, die sich nach dem Umbau 1926 - 1928 ergab. Ursprünglich war dem Säulenportal nämlich eine von zwei Seiten begehbare Freitreppe vorgelagert. Nur über die Treppen konnte man in die Foyers und in den Zuschauerraum des Musentempels gelangen. Der Zugang lag also in der ersten Etage. Ein Blick auf das Relief, welches sich bei dieser Gliederung direkt über dem Eingang präsentierte, gehörte damit zum Besuch des Theaters.

1926 wurde eine Totalerneuerung der Bühnentechnik und darauffolgend des Zuschauerraumes, sowie der Fassade durchgeführt. Im Zuge dieser Arbeiten wurde auch die, wie es hieß, "berüchtigte Freitreppe" abgetragen. Berüchtigt deshalb, weil das Risiko für die Besucher, insbesondere beim Verlassen des Gebäudes unkalkulierbar geworden war. Dieser einzige Ausgang war nun, nachdem der Zuschauerraum auf 450 Plätze erweitert worden war, nicht mehr zu verantworten.

Nach dem Abriss der Treppe und der Verlegung des Haupteingangs auf das Niveau der Straße, entrückte der Relief-Fries so weit aus dem Blickfeld der Besucher, dass er nur noch mit Mühe betrachtet werden konnte. Er lag jetzt in dem sehr begrenzten Raum hinter und neben den Säulen, eine ganze Etage höher als zuvor. Die Verzerrung, die sich durch die ungewöhnliche Perspektive ergab, machte es auch kaum noch möglich, die Szenerie zu erkennen. Auf diese Weise geriet er in Vergessenheit, zumal er ohnehin von Gryphius überstrahlt wurde.

Der Theaterumbau, welcher unter der Leitung von Baustadtrat Eugen Griesinger erfolgte, dauerte etwa 2 Jahre. Erst im November 1928 fand die feierliche Übergabe des neuen Hauses an den damaligen Direktor Georg Sygula statt.

Die Bühnentechnik war bereits auf den neuesten Stand gebracht und konnte sich mit namhaften Theatern in Deutschland messen. Sie ermöglichte, voll elektrifiziert, einen schnellen Szenenwechsel und Beleuchtungseffekte, die allen Sparten der Bühnenkunst, auch der Operette und Oper gerecht werden konnten.

Die Erfahrung des Direktors der Dresdner Staatsoper Hasalt kam dabei dem Glogauer Haus zugute.

Anmerkung: Von 1911 - 1927 war Amand Tresper Intendant des Stadttheaters.

Hans Joachim Gatzka

Quellennachweis:
Hans Lutsch: Schlesiens Kunstdenkmäler
Bildband, Seite 424, Gütersloh 1985
Adam Kraft Verlag Mannheim 1979

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