Eine weiße Hochzeitskutsche vor der Fassade der Jesuitenkirche in Glogau

Neuer Glogauer Anzeiger, Nummer 7, Juli 2003

Hochzeit in Glogauer Kirchen

Es sind gewiss nicht viele Glogauer, die in den Jahren des Krieges, besonders in den letzten Jahren dieser heillosen Zeit, sich vor den Altären unserer Glogauer Kirchen ihr Ja-Wort geben durften. Nicht Wenigen blieb es für immer verwehrt, dieses Fest der Feste zu erleben. Die Söhne, die Partner kamen nicht mehr zurück.

Irgendwo im Osten liegen sie, sind sie mit ihren Träumen von fremder Erde zugeschüttet. Nicht selten war ein Feldpostbief mit der Anonymität einer Nummer oder ein Päckchen mit den wenigen Habseligkeiten ein letztes Zeichen von Leben und Tod. Vielleicht auch ein Brief des Kompanieführers in dem die Worte standen: "Vermisst"...

Bevor man solche endgültige Nachricht begriff und eigentlich niemals wahr haben wollte, vergingen Monate, Jahre, und manchmal hört das Hoffen ein Leben lang nicht auf - bis heute.

Nicht einmal das Schwarz der Trauer blieb den Frauen und Mädchen, die ihr Lebensglück verloren hatten. Eine lapidare Anzeige in der sogenannten "Nota" verkündete den Heldentod für "...und Vaterland" - gefallen auf dem Felde der Ehre. Allein diese schamlose Formulierung zeigt uns Nachgebliebenen noch einmal die Kälte dieses Wahnsinns, dem wir alle erlegen waren - ob wir wollten oder nicht.

Ich weiß, es sind harte Worte und manch einer unter uns mag das anders sehen. Als Betroffener nehme ich mir trotzdem das Recht, es so und nicht anders zu sehen. In 4 Jahren an der Front in Russland und 4 Jahre dauernder Gefangenschaft in sowjetischen Lagern, schreibe ich hier keine leeren Worte.

Noch heute ist es eine Last, die ich nicht abzulegen imstande bin, und ich weiß mich mit denen im gleichen Sinn, die es mit mir erlebt haben, soweit sie noch da sind.

Den Nachgeborenen erklären zu müssen, wie es war und warum es so war, dass wir auch nur Menschen waren, die leben wollten, nichts weiter, findet wenig Gehör. Auf Verständnis für dieses dem Krieg einfach ausgeliefert sein, darf man kaum hoffen.

Es ist ein schreckliches Defizit in unserer Gesellschaft, die sich in dem Glauben verfangen hat, dass es nur Täter gab und keine Opfer.

All denen, die unter den entsagenden Umständen der Kriegsjahre vor dem Traualtar einer Glogauer Kirche standen, wissend, dass schon nach dem Fronturlaub die alles vernichtende Nachricht . . ."für Führer und Vaterland..." dieses Hochgefühl in tiefe Trauer wandeln konnte, sei dieses Wunschbild der Titelseite gewidmet.

Es soll aber auch jener Glogauer Mitbürger gedenken, die vor uns gingen, wirklich Opfer waren ohne Schuld und Krieg, denn das Vergessen ist schmerzlicher als der Tod.

Hans-J. Gatzka

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