Neuer Glogauer Anzeiger, Nummer 1, Januar 2004

Schwenckfelddenkmal aus Anlass der Renovierung unter internationaler Beteiligung neu eingeweiht

Von Paul Gerhard Eberlein

Am 2. August 2003 ist in Harpersdorf das 1863 von der amerikanischen Schwenkfelder Church errichtete Denkmal für die wegen ihres Glaubens im schwenckfeldischen Sinne außerhalb des Friedhofs beerdigten Gläubigen nach ausführlicher Renovierung neu eingeweiht worden. Aus Amerika war unter Leitung von Jerry Heebner und Pastorin Gallagher eine Delegation von 24 Personen angereist. Die aus Harpersdorf vertriebenen Deutschen, jetzt vor allem in Westfalen ansässig, beteiligten sich mit etwa 50 Personen, dazu kamen die Vertreter der polnischen Bevölkerung - Katholiken und Protestanten -, so dass insgesamt eine Gruppe von 100 Personen sich vor der verfallenden evangelischen Zufluchtskirche von Harpersdorf versammelte, um der Feier beizuwohnen.

Ein Posaunenchor - bestehend aus Studenten der evangelischen Kirchenmusikschule in Görlitz - begann mit einer Intrade. Es folgte die Begrüßung von Distriktbürgermeister Grzyb, dem katholischen Ortsgeistlichen Pfarrer Andrzej Mucha sowie dem Beauftragten des evangelisch-lutherischen Bischofs in Breslau Pastor Cézary Kroléwicz aus Liegnitz. Nach einem Gebet von Pastorin Gallagher aus Pennsburg/ USA setzte sich der Zug in Bewegung, vorn im Ornat die zwei evangelischen Pfarrer Kroléwicz und als Vertreter der Schlesier in Deutschland Pfarrer Dr. Eberlein - Schwäbisch Gmünd, dazu Pastorin Gallagher, danach die Vertreter der amerikanischen Schwenkfelder Kirche mit Bürgermeister Grzyb, in einer dritten Reihe die Handwerker, die die Renovierung ausgeführt haben, und dann der Block der deutschen, der amerikanischen und der polnischen Teilnehmer. Die Aufteilung in Blöcke war vorgesehen, damit der gemeinsame Gesang der jeweiligen Gruppe auch kräftig erklingen konnte. Unter dem vom Posaunenchor begleiteten Gesang "Laudate Dominum omnes gentes" (Lobet den Herrn alle Völker) setzte sich der Zug in Bewegung, um auf dem Wege, auf dem früher der Viehaustrieb erfolgte, zu dem in einer Waldlichtung stehenden Denkmal zu kommen.

Die Einweihungsworte sprach Pastorin Gallagher, Jerrry Heebner nahm das Wort für die amerikanische Schwenkfelderkirche, Dr. Wolfgang Knörrlich, der Sohn des letzten Kantors der Zufluchtskirche in Harpersdorf und Verfassers einer Broschüre über diese Kirche sprach für die letzten deutschen Bewohner von Harpersdorf und übergab an die amerikanische Schwenkfelderkirche eine Bronceplatte. Pfarrer Dr. Eberlein ergriff das Wort für die evangelischen Schlesier in Deutschland. Er betonte: Schwenckfeld war seiner Zeit weit voraus, viele Gedanken, die er vertreten habe, seien heute Selbstverständlichkeit. Seine Erinnerung bleibe bis heute wichtig, weil er dafür eingetreten sei, dass der Glaube kein Vernunftglaube sein dürfe, sondern durchs Herz gehen und Früchte des Glaubens bringen müsse, weil er die Aufteilung der Christenheit in Konfessionen abgelehnt habe und so schon sehr früh für die Einheit aller Christen der Welt eingetreten sei, und weil er die Trennung von Staat und Kirche gefordert habe. Pfarrer Koléwicz für die evangelischen Schlesier in Polen brachte die Wünsche und Grüße von Bischof Bogucz und legte das Losungswort des Tages aus.

Jürgen Gretschel, Vertreter der deutschen kulturellen Gesellschaft in Niederschlesien wollte das Denkmal als Mahnmal verstanden wissen für Toleranz und den Geist der Offenheit. Niemals wieder sollten Menschen ihres Glaubens oder auch ihrer Nationalität willen benachteiligt oder verfolgt werden. Während die Amerikaner einen großen Kranz am Denkmal posierten, wurden von verschiedener Seite Blumengebinde niedergelegt.

Im Anschluss an diese bewegende Feierstunde, die wegen der notwendigen Übersetzungen über zwei Stunden dauerte, lud Distriktbürgermeister Grzyb zu einem Empfang in der Gemeindehalle ein. Hier war reichlich Gelegenheit, nationen- und konfessionsübergreifende Gespräche zu führen, bis schließlich die amerikanische Delegation zur Gröditzburg aufbrach und die Harpersdorfer ins Riesengebirge fuhren. Distriktbürgermeister Grzyb hielt bis zuletzt aus und so kam er auch noch in den Genuss einer einmaligen Information. Ein Harpfersdorfer hatte vor 1994 über ein Loch im Fußboden den Keller der verfallenden evangelischen Zufluchtskirche aufgesucht und dort Aufnahmen gemacht. Da unten befanden sich damals noch Sarkophage, in denen zum Teil Mumien lagen, eine davon ohne Kopf. Er hatte davon nichts gewusst und erklärte entschlossen, dass er der Sache nachgehen werde.

Das Interesse an Caspar von Schwenckfeld war durch die Feierstunde so geweckt, dass die ausliegende von Pfarrer Dr. Eberlein geschriebene Biographie Caspar von Schwenckfelds im Handumdrehen vergriffen war.

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