Neuer Glogauer Anzeiger, Nummer 8, August2008

Friedrichslager OT Zöbelwitz

von Herbert Blümel

Beschreibung

Zöbelwitz, ein kleines landwirtschaftlich geprägtes Dorf im Landkreis Glogau. Dominierend das herrliche Schloss der Familie von Kessel mit dem schönen Park mit gepflegten Wegen und Teichen, Tennisplatz und einer stilvoll gestalteten Mooshütte. In der Mitte des Dorfes gab es einen Teich. Zur Landstraße Beuthen-Oberquell(Quaritz) kam man über die Kirsch- und über die Nussallee. Es gab sieben kleinere, landwirtschaftliche Anwesen und zwar: Fellenberg Richard, Klopsch Bruno, Kuschik Alfred, Handke Willi, Ludwig Heinrich, Großmann Paul, Blümel Emil und Großmann Richard. Im Anwesen Blümel war auch eine kleine Gastwirtschaft mit öffentlichem Fernsprechanschluss, zuletzt Dorfkrug genannt. Der größte Teil der landwirtschaftlichen Nutzfläche und des Waldes wurde von der Familie von Kessel bewirtschaftet. Zum Gut gehörten eine Gärtnerei, eine Brennerei und die Försterei. Die Betriebsstätten des Rittergutes waren außer in Zöbelwitz auch im Nachbarort Bösau. Der in Bösau angesiedelte Inspektor und der in Zöbelwitz wohnende Vogt Altmann Paul waren für den Betrieb des Gutes zuständig. Zu den hervorgehobenen Mitarbeitern gehörten Förster Horlitz Robert, Kutscher Gohla Gottfried, Gärtner Macha Rudolf und Schloss-Diener Klatte Reinhold und nicht zu vergessen im Schloss die Datti als Hausdame. Aufzählung der Wohngebäude. Es beginnt mit Fellenberg, dann kommt entlang der Dorfstraße ein kleines Gutswohnhaus, danach Klopsch, als nächstes Kuschik, dann Handke, auf dem Berg das Forsthaus Horlitz, dann unterhalb das Gutswohnhaus mit Kutscher Gohla und Diener Klatte, wieder an der Dorfstraße ein kleines Haus, in dem die von uns Kindern gern geärgerte, ältere Walter Lina wohnte, es folgte Ludwig, dann Großmann Paul, danach Blümel und als letztes landwirtschaftliches Anwesen, Großmann Richard. In den Gutswohngebäuden wohnten unterhalb von Großmann Paul, Schäfer Quaschni, die Familie Strauß und der Nachtwächter Hinderlich. Im Bereich des Gutsareals im Anbau an den Pferdestall die Familien Altmann und Golisch. In der untersten Hauszeile der Gärtner Macha, der Schweizer und zwei weitere Familien im Dienste des Gutes. Also ein insgesamt kleines Häufchen Menschen. Zuordnung der Ortschaft. Zöbelwitz war bis zur Gemeindereform 1937 eine selbstständige Gemeinde. Hermann Fellenberg war der letzte Gemeindevorsteher. Mit der Reform sollten größere Gemeinden entstehen, gleichzeitig sollten aber auch die Ortsnamen, falls nicht schon gegeben, eine Beziehung zur deutschen Sprache erhalten. So entstand aus Bösau und Zöbelwitz in Anknüpfung an den Aufenthalt preußischer Truppen in den schlesischen Kriegen oberhalb von Zöbelwitz die Gemeinde Friedrichslager. Da Zöbelwitz auch undeutsch klingt, nannte man den Ortsteil Zöbeln . Dieser amtliche Begriff wurde jedoch von den Zöbelwitzern nicht angenommen. Man war nicht in Zöbeln, sondern in Zöbelwitz zuhause. Bösau und Zöbelwitz waren nun eine Gemeinde. Zum Bürgermeister wurde Oskar Tschirschwitz ernannt. Die Bewohner hatten aber wenige gemeinsame Beziehungen. Wir Kinder gingen nach Schönau zur Schule , (Bösauer nach Großwürbitz), man ging nach Schönau zur Kirche, die Kinder wurden in Schönau getauft und konfirmiert, die Verstorbenen fanden dort ihre letzte Ruhe. Mit den Bewohnern von Schönau, Mürschau, Baunau, Seppau war man gut bekannt. Auf dem Schulweg mussten wir am Kropuscher Wäldchen vorbei. Wenn dort Ziegeuner lagerten, machten wir vor Angst einen riesigen Bogen darum. Mit Baunau war man besonders durch den Schmied Liersch verbunden, den man zum Herrichten der Feldgeräte dringend brauchte. Zöbelwitzer gingen nach Klein-Tschirne zum Bahnhof, Bösauer nach Beuthen. Es gab natürlich auch einige Verbindungen. Man ging nach Bösau zur Mühle, in den kleinen Gemischtwarenladen (soweit die Kinder die Sachen nicht im Zusammenhang mit dem Schulbesuch aus Schönau mitbrachten) und auch zur Post. Die Poststelle hatte Frau Dietrich inne, die auch die Postsachen in Zöbelwitz ins Haus brachte. Für größere Veranstaltungen traf man sich im Saal von Hirschfelder. In amtlichen Angelegenheiten war der in Bösau wohnhafte Gemeindevorsteher (Bürgermeister) Tschirschwitz zuständig. Leben in Zöbelwitz Wir Kinder hatten viele Möglichkeiten, die wenige Freizeit sinnvoll zu nutzen. Zunächst stand natürlich die Unterstützung der Eltern in der Landwirtschaft im Vordergrund. Sobald man einigermaßen das Radfahren beherrschte und irgendein fahrradähnlicher Göpel vorhanden war, fuhr man bei Wind und Wetter und natürlich auch im Winter damit zur Schule. Die Eltern warteten schon sehnsüchtig auf die Rückkehr. Wenn sie etwas länger warten mussten, war es nicht ganz einfach, immer wieder eine Ausrede zu finden. Das Vergnügen wurde deshalb klein geschrieben. Im Sommer badete man im Teich, was wohl nicht immer den hygienischen Ansprüchen entsprach. Schließlich fuhren auch die Bauern bei großer Hitze mit Pferd und Wagen durch das Wasser. Gänse und Enten hinterließen auch einiges. Es ist wohl niemand daran gestorben. Später gab es in Schönau ein modernes Bad. Am 2. Sonntag im März war für uns Kinder das Sommersingen ein großes Ereignis. Ausgestattet mit einem geschmückten Zweig zogen wir von Haus zu Haus, sangen unsere Liedchen und erwarteten Brezel, Eier und Süßigkeiten. Da im Winter auf den Feldern weniger Arbeit war, konnten wir Kinder in dieser Zeit dem Vergnügen mehr nachgehen. Ganz oben war das Schlittschuhlaufen auf dem Teich angesiedelt. Wer Schlittschuhe hatte, war schon gut dran. Andere mussten sich mit dem Tschinschern (Rutschen) begnügen. Aber wie die Schlittschuhe an den Schuhen (manchmal auch Holzschuhe) festmachen? Da war Einfallreichtum angesagt. Wie sagte man es den Eltern, wenn die Klammern auch die Sohlen abgerissen hatten. Einmal bei dünnem Eis eingebrochen zu sein, gehörte dazu. Auch ich war einmal so leichtsinnig und brach voll ein. Damit die Eltern es nicht merken sollten, holte ich aus der Scheune eine lange Leiter und stieg mithilfe meiner Schwester in unser Zimmer im oberen Stock ein. Zitternd vor Kälte kroch ich gleich ins Bett. Meine Schwester verpfiff mich dann doch. (Gott sei Dank) Es gab auch eine Rodelbahn am Ende der Dorfstraße zwischen Klopsch und Fellenberg. Was war das ein Gaudi bis in die Nacht hinein. Anhänger (2 oder mehr Schlitten hintereinander) war sehr gefragt. Ohne blaue Flecken ging es natürlich nicht ab. Man lebte in bescheidenen Verhältnissen und war mit dem Leben einigermaßen zufrieden. Naturgemäß war ein Taschengeld für die Kinder ein Fremdwort. Es war schon für Schule, Kleidung und Fahrrad genug aufzuwenden. So waren die Kinder mehr oder weniger freiwillig darauf angewiesen, sich ein paar Groschen zu verdienen. Kastanien zur Wildfütterung waren sehr gefragt. Riesige Bäume im Park waren die Lieferanten. Aber man musste schon ganz früh möglichst noch vor der Schule- dort sein, sonst hatten schon andere sie aufgelesen. Für einen Zentner bekam man von Förster Horlitz 50 Pfennig. Mühseliger war dann schon, am Nachmittag auf den Feldern des Gutes Disteln zu stechen oder Rüben zu verziehen. In Erinnerung sind ebenfalls 50 Pfennige für den Nachmittag. Für einen Nebenverdienst hatte ich eine interessante zusätzliche Möglichkeit. Im Winter wurden mittels eines Frettchens Kaninchen aus dem Bau getrieben. Die herausstürmenden Tiere wurden dann geschossen oder mit Netzen gefangen. Neben den großen Treibjagden war bei kleineren Anlässen meine Mitwirkung als Treiber gefragt. Für die Erwachsenen waren Nachbarschaftshilfe und Begegnung eine Selbstverständlichkeit. Wurde auf einem Hof geschlachtet, brachten die Kinder in der Kanne Wurstsuppe und soviel Blutwurst, wie Personen auf dem Hof waren in jedes Haus, wo auch geschlachtet wurde So natürlich auch umgedreht. Wurstsuppe, ohne Wurst, wurde überall hingebracht. Die Kinder waren ganz schön im Einsatz. War eine Hochzeit, wurde so viel Kuchen gebacken, natürlich hauptsächlich Streuselkuchen- dass man Bleche mit Kuchen in die Häuser verteilen konnte. Die jungen Leute hatten Girlanden für den Türschmuck und zur Umrahmung aufzustellender Wiesenbäume gebunden. Am Polterabend fand man sich dann zusammen. Eine liebenswerte Begegnung für die Frauen war das Federnschleißen . Man hatte ja sehr viel Federvieh, deshalb auch Federn. Um nicht tagelang an den Federn zu sitzen, trafen sich die Frauen am Abend abwechselnd auf den Höfen. Auf langen Tischen lagen die Federn des jeweiligen Hofes ausgebreitet. Bei lebhafter Unterhaltung wurde der Haufen langsam kleiner. Meistens langte ein Abend jedoch nicht. Selbstverständlich gab es danach Kaffee und Streuselkuchen. Am Ende des Hohlweges Richtung Amerika (Amerika bezeichnete man mehrere Felder wohl deshalb, weil sie weit weg vom Dorf lagen) befand sich eine Sandgrube, wo sich jeder bedienen durfte. Auch wir Kinder durften dort Höhlen graben. Vor Pfingsten holte man dort mit dem Wagen Sand, um damit den nicht gepflasterten Teil des Hofes zu bestreuen. Kleine Birken rechts und links des Hauseinganges taten ein Übriges, dass alles zum Pfingstfest schön aussah. Dieses kleine Dorf mit vielen netten, hilfsbereiten und nun in alle Winde verstreuten Menschen gibt es nur noch in der Erinnerung. Mögen sich die jetzigen wenigen Bewohner dort ebenfalls wohl fühlen. Diese Aufzeichnungen wurden von mir, Herbert B l ü m e l, (Jahrgang 1926) früher wohnhaft in Friedrichslager (Zöbelwitz) im Januar 2008 erstellt. Da ich ab dem 13.Lebensjahr durch meine Ausbildung am Landratsamt in Glogau und zum Segelflieger sehr viel abwesend und bereits ab Januar 1944 zum Arbeitsdienst und zur Luftwaffe eingezogen war, erhebt dieser Bericht nicht den Anspruch auf Vollständigkeit. Auch kann manches wegen fehlender Erinnerung nicht oder nicht ganz so, wie beschrieben, gewesen sein.

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