Neuer Glogauer Anzeiger, Nummer 9, September 2010

Ergänzung zum Beitrag „Der Turm, der es in sich hat“

 

von Hans-Joachim Breske

 

Kurz nachdem mein Beitrag im NGA 8/2010 erschienen ist, habe ich eine sehr interessante Zuschrift erhalten. Herr Klaus Stühler aus Regensburg meldete sich und überließ mir einen Bericht eines Augenzeugen, der damals in Glogau, im März 1945, in der Umgebung des Domes in den Stellungen verharrte. An dieser Stelle möchte ich Herrn K. Stühler besten Dank aussprechen.
Der Bericht von Herr R. Trautmann aus Zwickau, der als Soldat fast die ganze Festungszeit auf der Dominsel verbrachte, umfasst den Brand des Domes und des Domturmes wie folgt:

„Es muss in der dritten oder vierten Belagerungswoche gewesen sein, als nachmittags der Dom in Flammen stand. Wir konnten bei diesem Anblick nicht das Geringste tun.“

Hier möchte ich hinzufügen, dass der genaue Tag des Dombrandes von Herrn Dompfarrer Heinrich Werner (siehe auch NGA 8/1986) auf das Datum 20. 03. 1945 angegeben wird.
Herr Pfarrer H. Werner berichtet dass:

„Am 20. 03.45 geht das Dachgeschoß der Domkirche in Flammen auf, und sie greifen auf die Orgel ins Innere über, wo sie ganze Arbeit leisten! Auch die Annakapelle und das Vikariat sind ausgebrannt. Nur der Turm mit dem vergoldetem Kreuz steht noch.“

Herr Pfarrer H. Werner hat also das schreckliche Inferno am 20. 03. ´45 miterlebt. Wie schrecklich muss es für ihn gewesen sein, als er tatenlos zusehen musste, wie die neu imprägnierten Balken des Dachstuhles, gleich einem brennenden Wald, die lodernden Flammen zum Himmel schickten. Wie das Feuer im Inneren des Domes wütet und alle Kunstwerke: den Hochaltar aus dem Jahre 1812, das Chorgestühl aus dem Jahre 1680, die sechs gewaltigen Bilder von Lichtenfels aus dem Jahre 1700, die Orgel und unzählige sakrale Schätze in Asche verwandelt.
Herr R. Trautmann hat aber noch von weiteren Einzelheiten berichtet. So schreibt er in seinem Bericht weiter:

„Am Himmel kreisten russische Flieger wie die Hornissen und nahmen alles aufs Korn, was sich regte. Der Turm brannte bis in die Nacht hinein. Als nach Tagen das Feuer erlosch und der Turm ausgekühlt war, erhielten wir den Befehl, im kahl ausgebrannten Turm ein Gerüst einzubauen, um wieder einen Beobachtungsstand zu errichten. Bei Nacht schafften wir von einem nahen Holzlager Balken und Bretter heran. Bei Tag werkelten wir innen eifrig, und die Flieger konnten uns nicht sehen. Es war eine echte Plackerei, und wir hatten kein richtiges Werkzeug, alles nur aus den nahen Häusern zusammengesucht. Plötzlich waren auch Offiziere da, die die Arbeit vorantrieben. Bis zu den Turmfenstern war die Arbeit vorangetrieben, als heftiger Artilleriebeschuss einsetzte. Hals über Kopf haben wir den Turm verlassen und brachten uns in Kellern schnell in Sicherheit. Die Russen hatten wohl etwas bemerkt, und als der Beschuss nicht nachließ, wurde diese Arbeit eingestellt. Der Domvorplatz war gespickt mit Blindgängern aller Art.“

Am Ende des Berichtes schreibt Herr R. Trautmann, ähnlich wie der polnische Historiker Przemys?aw Lewicki in seinem Werk „Festung Glogau“ (Seite 121), dass:

„Genau ein solches Feuerwerk wie der Dom war ein paar Tage zuvor der Brand der Zuckerfabrik, nahe der Hindenburgbrücke. Es ist nicht leicht, ein solches Inferno zu beschreiben. Durch die Flammen und die entstandene Hitze war der Zucker geschmolzen und lief brennend wie ein brauner Lavastrom aus Türen und Fenstern. Die nahe Straße und die Zugangswege konnte keiner mehr begehen. Die breite Masse hatte sich ausgebreitet und wirkte wie Klebstoff. Die vollen Zuckersäcke im Lager hatten in der Zeit davor bereits gute Dienste geleistet und waren zum Absichern der offenen Laufwege zwischen den Stützpunkten verwendet worden.“

Aus dem Buch P. Lewicki ist auch das Datum genau bekannt, dort lesen wir:

„Die ‚Zuckerfabrik Fraustadt, Filiale Raffinerie Glogau’ auf der Dominsel brannte
am 16. März `45. vollständig aus.“

Ja, jetzt kann man nur sagen: „so war es!“ und mit Hoffnung den Wiederaufbau des alten Gotteshauses verfolgen mit der Gewissheit, dass alles getan wird, um die alte Pracht so gut es geht wieder herzustellen. Dieses gilt auch für die ganze Stadt, meiner Geburtsstadt.

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