Neuer Glogauer Anzeiger, Nummer 10, Oktober 2012

Pferderennen in Glogau

 

Von E.S.

 

Ja, auch das gab es in unserem lieben Glogau; es war jedesmal ein großes Erlebnis, wenn an einem Herbstsonntag diese reiterliche Veranstaltung als Flach- und Hindernissrennen durchgeführt wurde. Veranstalter war die Standortkommandantur Glogau; die Rennen galten ausschließlich den Angehörigen des Heeres. Nur das letzte Rennen - das „Bauernrennen" - war auch für Zivilreiter frei. In den ersten Jahren nach der Jahrhundertwende lag die Rennstrecke auf dem Lerchenberger Exerzierplatz, der bekannten Sandwüste, die ein Übungsplatz der Feldart.-Reg. 41 war. Später wurde die Rennstrecke nach den näheren und geeigneteren Oderwiesen hinter Oberau verlegt.
Diese Rennen unterschieden sich wenig von gleichen Rennveranstaltungen der Großstädte Deutschlands, sportliche Begeisterung war hier wie dort zu finden. Gewettet wurde allerdings nicht. Die Rennstrecke ließ an Aufbau und Übersichtlichkeit kaum etwas zu wünschen übrig, an Hindernissen gab es Oxer, Ricks, Mauern und Wassergraben. Es gab einen Sattelplatz, ja, sogar eine Tribüne war da, wo die Damen der Gesellschaft - genau wie in der Großstadt - ihre Garderobe zeigen konnten. Edle Pferde und die bunten Uniformen der Reiter sorgten für ein farbenfrohes Bild. Offiziere der leichten Kavallerie waren wohl immer am zahlreichsten vertreten, es fehlten nicht die schmucken Uniformen der Lübener Dragoner, der Züllichauer Ulanen, der roten, braunen und schwarzen Husaren. Auch die Offiziersuniformen der Infanterie- und Artillerieregimenter waren vertreten.
Pferdemedaille vorne

Pferdemedaille hintenDass ein großer Teil der Offiziere aus der Garnison Glogau dabei war, versteht sich von selbst.
Die einzelnen Rennen zeigten in den Feldern recht gute Besetzung; gute sportliche Leistungen von Reitern und Pferden wurden geboten. Meistens verliefen sie ohne Zwischenfälle. Es kam allerdings auch mal vor, dass ein Pferd bei einem Sturz schwer verletzt wurde und schließlich erschossen werden musste.
Beim Schlussrennen - dem „Bauernrennen" - konnte sich unser heimischer Droschkenbesitzer Kirschke aus der Mohrenstraße des öfteren den Sieg erreiten. Bei der Glogauer Bevölkerung fanden diese Reiten lebhaften Beifall; auf dem Weg zur Rennstrecke war stets eine wahre Völkerwanderung zu beobachten, besonders in jenen Jahren, als das Reiten in Oberau stattfand.
Gut vertreten war die Prominenz von Stadt und Land, und es gab tatsächlich eine Menge Außergewöhnliches zu sehen, was sich niemand entgehen lassen wollte. Meistens lockte auch das schöne Herbstwetter und die herbstliche Landschaft unserer Heimat zu einem Sonntagsspaziergange mit dem Ziel: zum Rennen.
Schon die An- und Abfahrt der vielen prächtigen Gespanne war ein Ereignis für sich. Da kamen die Gutsbesitzer der Umgebung mit ihren Familien in ihren Kaleschen, Kutschen und Landauern, zwei- und mehrspännig. Und unsere Landwirte aus dem Kreise Glogau hielten damals auf gutes Pferdematerial. Herzog Ernst Günther zu Schleswig-Holstein, der die Herrschaft Primkenau besaß und ein jüngerer Bruder der Kaiserin Auguste Viktoria war, kam immer mit großem Gefolge sechsspännig von Primkenau nach Glogau, um am Rennen teilzunehmen. Ja, es lohnte sich tatsächlich, dabeigewesen zu sein.
Mit dem privaten Reitsport war vor dem ersten Weltkriege in Glogau nicht viel los. Der einzige Zivilreiter im Stadtbilde war wohl der Reitlehrer Nock. Manchmal ritt seine Nichte mit ihm aus, noch im Damensattel, wie es damals üblich war. Nach dem ersten Weltkriege schlossen sich die jüngeren Landwirte und Bauernsöhne in ländlichen Reitervereinen zusammen und trugen unter sich reiterliche Wettbewerbe aus. Deutlich kann ich mich erinnern, dass die Reiter aus den Dörfern der näheren Umgebung während der Wintermonate die Reitbahn der Kriegsschule als Übungsbahn benutzten.
Unser Feldart.-Reg. 41 und später die Fahrabteilung hatten berittene Musikkapellen, und es war immer ein schönes Bild, wenn diese Truppenteile unter Marschmusik von den Übungen einrückten. Gewiss mag das heute ein Thema sein, an das sich nur unsere älteren Mitbürger erinnern können, aber sie werden sicher gerne daran zurückdenken.
Wie wir der Festschrift zur Einweihung der Kampfbahn der Stadt Glogau entnehmen konnten, hatte Glogau auch einen Pferdezucht- und Sportverein. Zweck des Vereins war die Förderung des Turnier- und Rennsports und der Landespferdezucht. Er wurde 1900 gegründet. 1. Vorsitzender war Rittmeister der Reserve a. D. Gilka-Bötzow, Schwusen, Geschäftsführer Hauptmann a. D. Wuppermann, Glogau.
Der Verein besaß auf dem Landübungsplatz an der Herrndorfer Straße einen Turnierplatz, eine Rennbahn und eine Tribüne. Ursprünglich hielt der Verein nur Rennen auf den Wiesen bei Oberau ab. Später nahm er dann auch den Turniersport in sein Programm auf. Turnier- und Rennplatz hatten ein erstklassiges Geläuf. Glogau gehörte neben Breslau zu den größten und bedeutendsten Turnierplätzen Schlesiens.

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