Neuer Glogauer Anzeiger, Nummer 4, April 2014

Die Geschichte und Entwicklung des Glogauer Heimatbund e.V.

11. Die Bezirksgruppen und Ortsgemeinschaften
11.17 Die Bezirksgruppe Gera/Thür.

von Walter Sobania

 

38. Fortsetzung aus NGA03/2014

 

Walter Sobania

>Walter Sobania Bezirksgruppenleiter Gera/Thür.<


Die Gründung des Glogauer Heimatbundes nach 1945 und später auch der Bezirksgruppe Gera sind eine Folge des 2. Weltkrieges. Ich erinnere mich noch sehr genau, wie ich als 11-jähriger Anfang Februar 1945 mit meinen Familienangehörigen und anderen Glogauern vor Landgaststätte Wiesau an der Hauptstraße in Richtung Bunzlau auf den Weitertransport nach Sachsen wartete. Für die weitere Flucht war es höchste Zeit geworden, denn aus dem östlichen Schlesien hörte man lauten und ununterbrochenen Kanonendonner. Wie wir später erfuhren, waren das die Geschütze der sowjetischen Armee, die bei Steinau eine neue Offensive begannen hatten. Die Auswirkungen davon waren auf der Landstraße zu sehen, an der wir standen. Bei eisigen Wintertemperaturen strebten Flüchtlingstrecks mit Pferde- und Ochsengespannen, dazwischen Menschen mit Leiter- und Kinderwagen, oftmals von zurückflutenden Wahrmachts- oder russischen Wlassowtruppen überholt, in Richtung Bunzlau. Das Durcheinander in diesem Chaos konnte nicht größer sein.
Es ist wichtig, in dieser Chronik des Heimatbundes daran zu erinnern, denn die Erlebnis-Generation ist nahezu ausgestorben und es gibt in unserem Glogauer Heimatbund nur noch wenige Zeugen dieses Leides, Elends, Todes als Kriegsfolgen. So etwas zu vergessen, gefährdet aber den Frieden! Noch während der letzten Monate des 2. Weltkrieges wurde das Vogtland um Auerbach und Thüringen um Gera ein Auffanglager für die Flüchtlinge aus Glogau und Schlesien. Die politische Situation in der damaligen sowjetischen Besatzungszone und später der DDR ließ eine Organisation von Flüchtlingen und Vertriebenen nicht zu. Viele wurden in der DDR als „Umsiedler" eingemeindet und angesiedelt. Erst nach dem Mauerfall hatten hier die Bestrebungen vieler Schlesier, sich zu organisieren, um die Erinnerung an die verlorene Heimat und seine Geschichte wach zu halten, Erfolg.

In Westdeutschland gab es längst die „Landsmannschaft Schlesien" und seit 1957 den „Glogauer Heimatbund". Über Verwandte, Bekannte und Freunde wurden Kontakte zwischen den Heimatvertriebenen hergestellt, und so kam bald auch der Wunsch auf zur Gründung einer Glogauer Heimatgruppe in Thüringen. Werner Jähnig knüpfte den Kontakt zu den Vorstandsmitgliedern Schelenz und Knappe in Hannover. Man beschloss, plante und organisierte eine Versammlung für den 2. Oktober 1993 nach Jena zur Gründung der Heimatgruppe Thüringen. 40 Interessierte waren ins Clubhaus „Ringwiese" gekommen. Als Leiter der Heimatgruppe war K.H. Grünwald vorgesehen. Wegen seiner gesundheitlichen Probleme musste er aber absagen. So übernahm W. Jähnig erneut die Initiative und organisierte ein weiteres Treffen, diesmal nach Gera. Es kamen am 6. November 1993 über 120 Glogauer. Auch der Bundesvorsitzende Schelenz war wieder gekommen.

Gründung Bezirksgruppe Gera 1993

>Herr Jähnig (lks.) und Herr Schelenz (r.) bei der Gründungsversammlung der Bez. Gr. Gera/Thür. am 6.11.1993.<


Auf seinen Vorschlag wurde Hfrd. W. Jähnig als Leiter der Bezirksgruppe Gera gewählt. Hfrd Reim übernahm die Geschäfte des Kassenwarts.

Mit den Mitgliedern der Gruppe wurde eine regelmäßig im Abstand von 8 Wochen stattfindende Zusammenkunft vereinbart. Durch städtische Umstrukturierungen in der Wendezeit waren wir mehrmals gezwungen, die Versammlungslokale zu wechseln. Negative Auswirkungen auf die Teilnehmeranzahl hatte das jedoch nicht. Die pegelte sich in der Folgezeit zwischen 80 und 100 Heimatfreunden ein und blieb viele Jahre konstant. Bemerkenswert ist, dass Heimatfreunde aus Städten wie Erfurt, Leipzig, Chemnitz, Zwickau oder deren Umfeld bei unseren Treffen aktiv teilnahmen.

Eine schwere Erkrankung des Kassenwarts machte eine Veränderung in der Gruppenleitung erforderlich. Deshalb schlug Hfrd Jähnig vor, selbst die Kassenführung zu übernehmen und den Hfrd Walter Sobania als Gruppenleiter zu wählen. Die Mitglieder der Heimatgruppe stimmten dem zu und der Bundesvorstand bestätigte den Wechsel. Auf Vorschlag wurden dabei die Heimatnachmittage auf einen 6-wöchigen Abstand festgelegt und angestrebt, deren Gestaltung auf breite Schultern zu verlagern. Die Themen dazu ergaben sich aus den schlesischen Sitten und Gebräuchen, der städtischen Entwicklung Glogaus und seinem landschaftlichen und landwirtschaftlichen Umfeld, der Entstehung geschichtlich interessanter Ortschaften, persönlicher Erlebnisberichte zur Flucht und Vertreibung aus der Heimat, aber auch zu solchen vor und nach der politischen Wende. Interessant waren natürlich auch Themen über die Entwicklung Schlesiens unter den verschiedenen Herrschersystemen und über den Begriff „Heimat".
Geschichten und Gedichte schlesischer Autoren waren an jedem Heimatnachmittag gegenwärtig. Dazu hatten wir wahre Rezitationsprofis. Stellvertretend für alle nenne ich Ella Künitz, Hfrdin Deutschmann und Hfrdin Irma Fischer aus Zwickau.

>v. Lks.: Hfrd Jähnig, Knappe, Hfrdin Liebach, Hfrd Sobania. Übergabe der Bez. Gr. Leitung 1997 an W. Sobania<


Die musikalische Bereicherung der Heimatnachmittage oblag immer den Hfrden Josef Czogalla und Paul Ferdinand. Was der eine mit seinen Instrumenten hervorzauberte, machte der andere mit seiner Stimme. Fehlte mal einer, da fehlte wirklich etwas am Heimatnachmittag. Darüber hinaus gab es noch viele weitere Aktivitäten bei der Gestaltung unserer Treffen, ab bei Quiznachmittagen oder solchen des Gedenkens und Erinnerns an Vergangenes, der Grundtenor lag dabei immer im Denken an Schlesien. Dazu trugen auch die fast jährlich durchgeführten Busfahrten nach Glogau bei.

Ehepaar Czogalla

>Musikalische Begleitung durch die Hfrde Josef Czogalla mit Ehefrau Christa (r.) und Paul Ferdinand an der Gitarre.<

Nicht nur bei deren Organisation zeichnete sich Anita Liebach vielfältig aus. Sie setzte ihre ganze Kraft für die Arbeit im Glogauer Heimatbund und im BDV ein. Die Anerkennung ihrer Leistungen war letztlich nicht nur ihre Wahl als 2. Stellvertreterin des Bundesvorsitzenden des GHB beim Bundesheimattreffen 2000 in Ronneburg. Sie hat mit gewohntem Engagement und Freude dieses verantwortungsvolle Amt übernommen und bis zu ihrem leider viel zu frühen Tod ausgefülIt. Anita Liebach war ein zuverlässiger, vielseitig einsatzbereiter Kamerad.Anita Liebach

>Anita Liebach 1935-2008<


In gewissen Zeitabständen, zu besonderen Anlässen, aber auch zu jeder Jahresabschlussfeier wurden besonders aktive Heimatfreunde und -freundinnen aus unserer Bezirksgruppe mit einem herzlichen „Dankeschön" und einem kleinen Präsent geehrt.
Als Leiter der Bezirksgruppe Gera war ich auch Mitglied des Beirats im GHB und satzungsgemäß von 2004 - 2006 sein Vorsitzender.
Aus unserer Heimatgruppe erhielten Auszeichnungen des GHB für den Einsatz im Glogauer Heimatbund
Hfrdin Ella Künitz: Die Silberne Ehrennadel (2008)
Hfrdin Anita Liebach: Die Kleine Goldene Ehrennadel (2006)
Die im Kassenbericht des Bundesvorstands erkennbaren finanziellen Sorgen haben uns veranlasst, ab 2005 auf den jährlichen Zuschussbetrag für unsere Bezirksgruppe Gera zu verzichten. Notwendige finanzielle Ausgaben haben wir seitdem durch Sammelgelder aus der Gruppe bestritten.
Alter Krankheit und Tod hinterließen auch in unserer Bezirksgruppe tiefe Spuren durch immer weniger werdende Teilnehmerzahlen an unseren Heimatnachmittagen. Sie sind in den letzten 2 Jahren auf etwa 25 Personen zurückgegangen.
Wegen einer chronischen schweren Erkrankung musste ich 2012 die Leitung der Bezirksgruppe Gera aufgeben. Ich habe darüber schriftlich den Bundesvorstand informiert und vorgeschlagen, dass die Hfrdin Irmgard Sindermann bis zur Wahl eines neuen Leiters die Organisation der künftigen Heimatnachmittage übernehmen könnte. Sie ist auch bereit dazu und wird als Ansprechpartnerin, entsprechend dem Wunsch der Mitglieder, die in der Regel monatlichen Heimatnachmittage organisieren und weiterführen.

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