Neuer Glogauer Anzeiger, Nummer 6, Juni 2016

Im Juni blühen in Glogau die Rosen...und der Sommer hielt seinen Einzug

 

Wenn das Jahr seinem Höhepunkt zustrebte, in den Jahren in denen wir noch in Glogau waren, da hatten wir das Erlebnis der Rosenblüte. Allenthalben entfalteten sie, die schönsten der Blumen, ihre leuchtende Farbenpracht:
In den schönen Anlagen am Bahnhof ?, mitten in der Promenade, in der „Guten Stube" vor dem Justizpalast, an der Promenadenstraße, um nur einige Stellen zu nennen; ein Blickfang besonderer Art: Im Juni war der Rosengarten im Wallgraben am schönsten.Bahnhof neu

Im Sommer, der am 21. Juni beginnt, machten unsere Glogauer Anlagen einen besonders schönen Eindruck. Die Kinderkrippe wirkte mit ihrer Umgebung von gepflegten Baumgruppen und den weiten Rasenflächen vor ihr und den mit Palmen durchsetzten Anlagen hinter ihr einladend. Ein Zierstück unserer Glogauer Promenaden war der gegenüber der Kinderkrippe liegende Goethe-Pavillon. Von seinen marmornen Ruheplätzen aus hatte man einen schönen Blick auf die Stadt. Im Sommer standen auch vor ihm die Palmen, die im Winter in den Gewächshäusern der Stadtgärtnerei untergebracht waren.
Im Juni waren aber auch die Glogauer Gartenlokale Ziele oder Mittelpunkt längerer Spaziergänge. Wir erinnern an Lindenruh, wo das schattige Laub der alten hohen Bäume zu angenehmen Aufenthalt lockte; wir erinnern ferner an die Häuslermühle, die ein wenig weiter weg lag und vorwiegend an den Sonntagnachmittagen stark besucht war. Hier blühten Bäume und Sträucher, hier genossen die älteren Glogauer, die reiferen Familien, die warmen Sonnenstrahlen des Sommers und blieben in der hellen Kolonade sitzen oder hielten sich in der Gaststube auf. Wie schön tanzte es sich damals nachmittags schon, am Abend und nachts in der Rauschwitzburg! Es war noch nicht so heiß wie im Hochsommer, es war angenehm draußen im Freien. Hier war die jüngere Generation stärker vertreten. Und auch das Militär! Der Garten hatte so schöne lauschige Plätze, gut geeignet zu einer kleinen Promenade während der Tanzpausen. Man konnte auch schon auf der Oderterrasse sitzen, die Schiffe, die Schleppzüge, die Ruderboote und Segeljollen beobachten und die vielen Paddler. Drüben aber, jenseits der Oder, inmitten der blütenübersäten grünen Flächen, lagen die Gartenlokale „Wiesenbaude" und „Aue". Und immer wieder machten die Glogauer damals ihre längeren Nachmittagsspaziergänge nach Oberau!
Wenn wir aber länger wandern und lustiger werden wollten, jung oder alt, dann liefen wir zu Schumann nach Beichau, nach Oderhorst. Der Heimweg freilich, er war ein Erleben eigener Art: Wenn es dabei ein wenig laut und heiter zuging, war es ja gerade die Stimmung, die wir mit dem frischen Trunk erzielen wollten. Doch wenn der „Marsch auf Glogau" anstrengend wurde, dann war das ein sicheres Zeichen dafür, dass des Guten ein wenig zuviel getan und das Maß hier und da überschritten worden war.
Wenn wir gerade vom Heimweg sprechen: Er war oftmals beschwerlich, denn wir Glogauer tranken in allen Gartenlokalen recht zügig. Aber die Heimwege damals waren bei aller Beschwerlichkeit immer abwechslungsreich und führten nach Glogau.
G. Danckert +

 

Jehonnstichnacht
Ernst Schenke

Uba uff'm Windmühlberge
Muuß woas luus sein hinte Nacht.
Doas Gewudel, doas Geschärge,
Goar a Feuer werd gemacht.
Tanza tun se, hopsa, springa,
Oangebrannte Basem sohwinga
Und viel schiene Lieder singa.

Freilich freilich 's ies doch heuer
Wie's ei aler Zeit schunt woar
Wieder is Jehonnstichfeuer
wenn die Rusa blühn ums üms Toar
Die Jehonnstichkawer swärma
Sul derr Mensch sich doo noch härma?
Hurcht ock' hurcht ock wie se lärma!

Scheite har vom eechna Stamme
Doß se prasseln, doß se glühn
Huch zum Himmel steigt die Flamme
Frühjoahr wiel zu Ende giehn.
Wo noch Blüta hoan gehanga
Hoofs zu reifa oangefanga
Und derr Summer kimmt geganga.

Heemte, du geliebte, drüba,
Jitz ei derr Jehonnstichzeit
Diech zu achta, diech zu lieba
Sein merr immerdoar bereit.
Neu gelob' merrsch bei a Flomma
Mir, die aus derr Schläsing stomma
Blein derr treu und haln zusomma.

Promenaden Partie

>Glogaus Promenade<

Schlesische Sommersonnenwende

Alt ist der geheimnisvolle Zauber der Johannisnacht — jener Nacht des 24. Juni, die die kürzeste im Kreislauf des Jahres ist. Alt sind die Volksbräuche zur Abwehr feindlicher Dämonen und Mächte, die Bitten um Heil und Segen, der Wunsch, einen Blick in die Zukunft tun zu dürfen. Viel vorchristliches Gut ist darin enthalten in diesem Sonnenkult, viel volksverwurzeltes Brauchtum im christlichen Sinne: Achtung und Liebe vor der mythenreichen Vergangenheit, Glaube an die fröhliche Gegenwart, Hoffnung auf eine glückhafte Zukunft. Wie schön war doch die schlesische Johannisnacht! Schwer schon wiegten sich die Ähren auf hohen Halmen, blühten die Rosen, duftete das Heu, sternenklar leuchtete der tiefblaue Himmel, fröhlich zog jung und alt an den Holzstoß: „Tags hoot jeder sihr zu kräbsen, obends Wullen ber ang täbsen und mit Tanz und Ringelreihn juchzen im a Feuerschein ..., wie Philo vom Walde in seinen Versen vom „Johannisfeuer" singt. Den ganzen Sudetenkamm entlang flammten auf den Vorbergen die leuchtenden Punkte, die sich durch tiefer liegende vermehrten, und auch auf dem Kamm selbst loderten die Flammen zum Himmel, von Carl Hauptmann in seinen Strophen von der „Johannisnacht" gefühlvoll nachempfunden:
Auf Bergeshöhen Johannisnacht,
Ein Reisigfeuer lodert und kracht —
Und dann und wann flüstert ein leises Wort —
Von Kindermund, vom Alten dort.

Die Feuer zur Sommersonnenwende standen überall in schlesischen Landen im Mittelpunkt. Lange vorher schon sammelte man abgenutzte Besen, Reisig, Dornen-gestrüpp, Harz, Pech, leere Teerfässer usw. Auf erhöhten Plätzen trug man mächtige Stöße zusammen. Jedes Dorf hatte natürlich den Ehrgeiz, den größten „Feuerzauber" zu haben. Daher kamen oft auch noch mächtige Bunde Stroh dazu. Nach Einbruch der Dunkelheit schlugen dann die Flammen gen Himmel. Besen, oft erst in Pech getaucht, wurden ins Feuer gehalten, im Kreise geschwungen, in die Luft geschleudert. Der Bursche, der ihn am höchsten warf, galt als der König des Festes. Mit brennenden Besen oder entzündeten Fackeln tanzte die Jugend um den Feuerstoß:
Die Funka, die stieba,
On hieba on drieba
Waan Baasem geschwonga
On Liedla gesonga
Werd glecklich gelacht
singt Alois Bartsch in seiner Glatzer Mundart. Die Mädchen aber warfen Blumen, Getreide, Früchte als Opfergabe in das Flammenmeer. Anderenorts wieder rollten feurige Räder die Hänge hinab.
Die Krönung war das Springen durch das Feuer. Die Burschen machten den Anfang, einige beherzte Mädchen folgten und schließlich wagten es auch die Liebespaare, Hand in Hand durch die Flammen zu springen. Es war nicht nur Lust an jugendlicher Bewegung, sondern meist auch das erste offene Bekenntnis zueinander, Offenbaren eines bisher sorgsam gehüteten Geheimnisses. Je höher der Sprung war, desto größeres Glück war zu erwarten, vor allem im Hinblick auf Liebe und Gesundheit. Auf keinen Fall aber durfte man die Hände loslassen beim Sprung, denn das sollte die Liebe zerreißen. Je höher man auch sprang, desto höher sollten Getreide und Flachs gedeihen. Die Hirten wieder sprangen über das Feuer, damit nach altem Glauben ihr Vieh nicht lahm wurde. In anderen Gegenden wieder galt der Glaube, dass der Sprung durch das Feuer künftig vor Kreuzschmerzen bewahre und Glück auf Reisen bringe. Aber auch der Rauch des Johannisfeuers galt als reinigend und heilend. Mütter trugen darum ihre Kinder durch den Qualm, um sie vor Unbill durch Hexen und vor Krankheit zu schützen. Hirten trieben gern ihre Herden durch die Asche. Im Riesengebirge steckte man die abgebrannten Besen in die Krautfelder, um diese gegen Raupen zu feien. Häufig wurden dazu Feuersprüche gemurmelt, die den wohltätigen Zauber verstärken sollten.

Besondere Kraft schrieb man der gelbblühenden Staude des Johanniskrautes zu, das überall in den Bergen und an den Waldrändern zu finden war. Dieses, an Haustore und Stalltüren befestigt, sollte bösen Geistern den Eingang verwehren. Auch die Heilkraft der Kräuter um diesen Johannistag galt als besonders wirksam, und neunerlei Heilkräuter an diesem Tage zu sammeln, galt als gute Oberlieferung. Und die Heilkräuterweiblein und Teemutteln haben sich gern daran gehalten und bei ihrem Angebot auf den heimatlichen Kräuter- und Wochenmärkten besonders darauf hingewiesen. Kleine Kränze aus Rosen- oder Feld- und Wiesenblumen wurden ebenso über die Stalltüren und über die Haus- und Hofeingänge gehängt, wobei ein frommer Spruch oder ein Gebet gesprochen wurde. Oft wurden sie auch an Schnüren gereiht über die Straße von Haus zu Haus gezogen, besonders am Dorfeingang, damit „kein böser Geist einziehe". In manchen Gegenden gingen Mädchen, mit einem Blumenstrauß geschmückt, von Haus zu Haus und überreichten mit der Bitte „Seid a su gutt und gat woas der Braut" ein „Riechel", um dafür im „Rusatrupp" (ein mit Rosen geschmücktes Tippel) Geld zu sammeln.
Noch mehr des Zaubersegens war in vielen schlesischen Gegenden anzutreffen: Brach man um die Mitte des Johannistages die Zwiebelrohre um, dann sollten die Zwiebeln groß wie Äpfel werden. Wurde das grüne Rebenlaub geschüttelt, dann trug der Weinstock besonders süße und reichliche Trauben. Bestrich man sich beim ersten Strahl der Morgensonne mit einem Eichenreis, so wurde dadurch im kommenden Jahre jede Krankheit gebannt. Der Bauer und der Fuhrmann schnitten sich an Johanni einen neuen Peitschenstiel aus Wacholder, um künftig auf allen ihren Fahrten Glück zu haben, und auch die Bäuerin ließ sich aus Wacholderholz neue Geräte zum Buttern anfertigen, um den Ertrag an Sahne und Butter auf diese Weise zu steigern. Junge Leute aber umtanzten in frohem Reigen das Haus, um Blitz, Krankheit und Zahnweh von den Bewohnern fernzuhalten. In Oberschlesien aber schmückten sich Frauen und Mädchen mit Blumengewinden, die mit Eichenlaub und Efeuranken durchsetzt wurden, um noch schöner zu werden.
Besonders die Mitternacht der Sonnwendnacht sollte ganz eigene Kräfte in sich bergen. Wer ein Sonntagskind war, konnte unter bestimmten Voraussetzungen einen Kobold fangen, der dann ein wundertätiger Diener im Haus wurde. Heilkräftig aber war vor allem das Johanniswasser oder ein Bad in dieser Nacht und die Warmbrunner Quellen waren um diese Zeit noch heilkräftiger als sonst.
Das einst so ernste und mythenreiche Sonnwendfest wurde im Laufe der Zeit zu einer oft gedankenlosen und übermütigen Volksbelustigung, weil der eigentliche Sinn dafür den Menschen allmählich verlorenging. Vor allem in den Sommerfrischen und Kurorten der Gebirgsgegenden entwickelten sich die Johannisfeuer-Veranstaltungen zu besonderen Lustbarkeiten des geschäftstüchtigen Fremdenverkehrs mit Raketenfeuerwerk, Böllerschüssen und Tanzvergnügungen, die den ursprünglichen Sinn dieses volksverwurzelten Brauchtums nicht mehr gerecht wurden.
A.C.G.

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